26. Februar 2015

Schluss mit Radwegradeln - Veloroute 1 bald mit Radfahrstreifen

No more cycle tracks - Cycle route No. 1 with cycle lanes soon

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Feldstraße, Nordseite

St. Pauli´s Geissterradler werden sich umstellen müssen. In der Feldstraße Richtung Neuer Kamp gibt es nur noch vor dem "September" ein kurzes Radwegrelikt. Doch auch dieses wird wohl bald verschwunden sein. Ein Bauzaun ist schon aufgestellt. Im restlichen Verlauf bis zur Marktstraße wurden die historischen, roten, gefasten Betonsteinsteine gegen neue Gehwegplatten ausgetauscht. Radeln ist derzeit nur noch auf der Fahrbahn erlaubt. Sobald die Bauarbeiten abgeschlossen sein werden, soll es jedoch einen Radfahrstreifen bis zum neuen Pferdemarkt geben. Es bleibt zu wünschen, dass die Stammgeisterradler sich demnächst umorientieren. An der Grindelallee beim Grindelhof hat die Umstellung bislang noch nicht geklappt. Dort kommen bei hagezu jeder Ampelphase einige Geisterradler auf der neuen Radspur entgegen - ein schlechtes Vorzeichen.


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Feldstraße / Glashüttenstraße vor Umbau

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Feldstraße / Glashüttenstraße nach Umbau


Grindelallee: Anpassungsschwierigkeiten für Geisterradler

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25. Februar 2015

Absteiger beim Fahrradklima-Test: Ahrensburg wird stetig fahrradunfreundlicher

Cycling climate: Ahrensburg less cycle friendly
Aktualisiert am 25.02.2015


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Autostadt Ahrensburg - Hagener Allee: Gehwegbenutzungspflicht bei Tempo 30

Die Nachbargemeinde Ahrensburg (31.000 Einwohner) hat eigentlich ideale Bedingungen zum Radfahren. Keine großen Steigungen, kurze Wege ins Zentrum, verkehrsberuhigter Innenstadtbereich, Bahnhof nahe dem Stadtzentrum, Schnellbahn-Anschluss nach Hamburg. 2005 wurde Ahrensburg beim Fahrradklima-Test mit der Note 3,46 gewürdigt. Seitdem befindet sich Ahrensburg im freien Fall nach unten. 2012 gab es nur noch eine 4,01, und 2014 war es nicht mehr als eine 4,2. Der Mittelwert der Städte gleicher Größenklasse lag aktuell bei Note 3,6. Wofür wird Ahrensburg so abgestraft?


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Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht bei regem Fußgängerverkehr und Tempo 30!

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Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht im Stadtzentrum (VZ240 bei Tempo 30!)

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Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht im Stadtzentrum bei Tempo 30


Die schlechtesten Einzelbewertungen gibt es für das Fehlen eines Leihradsystems (5,5), zu schmale Radwege (5,3) und Radverkehrsführung an Baustellen (5,2). Das Leihradsystem wird in Ahrensburg wohl deshalb so stark bemängelt, weil der Vergleich zum in Hamburg bekannten und beliebten StadtRAD leicht fällt. Auch in den benachbarten Randgemeinden zu Hamburg wird dies bemängelt, so z.B. in Reinbek (Note 5,4), in Wentorf (Note 5,7), in Pinneberg (Note 5,6), in Buxtehude (Note 5,4), in Winsen (Note 4,9), in Ammersbek dagegen nur mit einer Note 4,2. In Wedel hat es das stadteigene Leihradsystem Wedelecs, doch dafür gibt es nur die Note 4,1. In Norderstedt gibt es den Betreiber "nextbike", dafür die Note 2,2. Das StadtRAD in Hamburg wird mit 2,0 bewertet. Daneben hat es aber auch noch einige touristische Leihradanbieter in Hamburg.


"Schöne" Stealth-Radwege
 
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Hättest du es erkannt? Das soll ein Radwegmosaik sein (natürlich Benutzungspflicht - weil es so "schön" ist?)

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Hättest du es gewusst? Ein Stealth-Radweg vor dem Ahrensburger Rathaus - benutzungspflichtig (VZ241)!

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Hättest du es erkannt? Ein klassischer Stealth-Radweg in der Manhagener Allee

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Hättest du ihn erkannt? Der Zweirichtungs-Stealth-Radweg in der Manhagener Allee


Gegenüber dem vorangegangen Test gibt es Veränderungen zum Positiven und Negativen. Die Teilnehmer werten mehr Bemühungen für das Werben um den Radverkehr (+ 0,39 Notenpunkte), sowie mehr oder bessere Medienberichte rund um das Thema Radfahren (+ 0,3 Notenpunkte). Dagegen wird Ahrensburg abgewertet wegen Einbahnstraßen (- 0,69 Notenpunkte), Abstellanlagen und Baustellen (jeweils - 0,44 Notenpunkte), sicheres Radfahren für Jung und Alt auf Radverkehrsanlagen (- 0,34 Notenpunkte), Konflikte mit Kfz und Fahrradmitnahme beim HVV (jeweils - 0,32 Notenpunkte), Breite der "Radwege" (- 0,31 Notenpunkte), fehlender Winterdienst (- 0,28 Notenpunkte), schlechte Ampelschaltungen und Unsicherheitsgefühl (jeweils - 0,27 Notenpunkte), Kampfparker (- 0,25 Notenpunkte) und zügiges Radfahren (- 0,23 Notenpunkte).


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Autostadt Ahrensburg - Sowas gehört eigentlich verboten: Gefährliches Radeln in Ahrensburg. Zur eigenen Sicherheit sollten Radler hier lieber auf die Fahrbahn ausweichen. Nur gehört dazu Mut und Selbstbewußtsein angesichts ungeduldiger Autofaher, die Fahrbahnradler hier nicht mögen

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Autostadt Ahrensburg - Hamburger Straße: Wer fährt hier gerne Rad? (VZ241)

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Autostadt Ahrensburg - Manhagener Allee: Schmaler Zweirichtungsradweg (VZ241) im Dooringbereich


Auffällig ist die größte Veränderung bei den Einbahnstraßen. Während in den meisten Kommunen Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet werden, scheint in Ahrensburg die Verkehrsführung nachteilig verändert worden zu sein. Die schlechtere Bewertung für den HVV ist nicht nachvollziehbar, das Angebot ist seit 2012 unverändert. Die anderen Bewertungen geben Auskunft über das allgeine Sicherheitsgefühl der Radler in Ahrensburg. Die "Radwege" werden noch schmaler empfunden, Konflikte mit Kfz machen den Radlern zu schaffen und allgemein scheint Radfahren in Ahrensburg unsicherer geworden zu sein.


Ahrensburg - Stadt der schmalen Fakeradwege

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Schöne Aussichten am "Radweg"

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"Radweg" mit Kampfsteher

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Bildrätsel: Das Bild zeigt vier Fehler - wer entdeckt sie und findet eine Erklärung?

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Fakeradweg im Dooringbereich

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Lübecker Straße / Am Weinberg - Überdimensionierte Kreuzung, kaum Platz für Radfahrer

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Autostadt Ahrensburg - Hamburger Straße mit Fakeradweg


Gegen die Planung eines angemessen breiten Radwegs gab es letztes Jahr eine Demonstration aufgebrachter Bürger, die darin einen "Luxus-Radweg" sahen. Ursprünglich sollte neben einem zwei Meter breitem Gehweg ein 2,25 Meter breiter Radweg angelegt werden. Die Politiker beschlossen mehrheitlich parteienübergreifend stattdessen einen drei Meter breiten gemeinsamen Geh- und Radweg zu bauen.

Die Wege sind unverhältnismäßig breit und passen nicht in die Landschaft (Hartmut Möller, SPD Ahrensburg)


"Luxus-Radwege" in Ahrensburg unerwünscht

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Ahrensburg: Schmale Grünradwege sollen in Ahrensburg genügen

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Breite Radwege wie hier in Glostrup bei Kopenhagen sind für Ahrensburger dagegen "unverhältnismäßig"

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Geht nicht in der Autostadt Ahrensburg, weil "unverhältnismäßig" (Albertslund / DK)

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Geht auch nicht - "unverhältnismäßig" (Albertslund / DK)


Nun ist es an der Zeit, dagegen zu steuern. Die Autostadt Ahrensburg leistet sich seit 1998 leider immer noch widerrechtliche Gehwegbenutzungspflichten in der verkehrsberuhigten Innenstadt bei Tempo 30, viele Kilometer an Fakeradwegen im Dooringbereich an Hauptstraßen mit Benutzungspflicht, und selbst in neuen Wohngebieten setzt Ahrensburg auf Verkehrstrennung mit Gehwegbenutzungspflicht bei Tempo 30. Die Novellierung der StVO von 1997 und die damit einhergehende Rechtssprechung seitdem scheint in Ahrensburgs Straßenverkehrsbehörde immer noch nicht angekommen zu sein. Viele Straßenräume werden vom Kfz-Verkehr dominiert. Dem Radverkehr fällt nur ein mageres Almosen ab, zahlreiche Kreuzungen sind überdimensioniert ausgelegt mit freien Rechtsabbiegern und damit einhergehenden komplizierten Radverkehrsführungen. Fast alle "Radwege" sind auf Diät gesetzt und genügen nicht den Anforderungen an einen normalen und sicheren Radverkehr. Wie wäre es mal mit einer Exkursion in die Niederlande, um sich vor Ort bei Radverkehrs-Experten beraten zu lassen? Aber selbst ein Blick auf vergleichbare deutsche Städte kann sich lohnen wie z.B. Soest oder Lörrach.



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"Luxus-Radweg" an Hauptstraße in Beuningen (NL), 25.000 Einwohner

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Fakeradweg an Hauptstraße in Ahrensburg (D), 31.000 Einwohner

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Innenstadtstraße in Venlo/NL

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Innenstadtstraße in Autostadt Ahrensburg

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Venlo/NL - Einkaufsstraße

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Autostadt Ahrensburg - Einkaufsstraße

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Ahrensburger Rathaus, Sitz der Straßenverkehrsbehörde: Das Übel muss hier an der Wurzel gepackt werden


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24. Februar 2015

Fahrradklima-Test Hamburg: Was hat sich geändert?

Cycling climate in Hamburg: What changes?

Aktualisiert
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Hamburger Fakeradweg


Beim Fahrradklima-Test hat Hamburg weder eine Auszeichnung eingefahren, noch hat sich die Platzierung deutlich verbessert. In der Gesamtbewertung verbesserte sich Hamburg von der Note 4,4 auf  4,3. Die auffälligsten Abweichungen zum Jahr 2012 treffen zu bei der aktuellen Radverkehrsförderung (+ 0,71 Notenpunkte), bei der Einbahnstraßenfreigabe (+ 0,34 Notenpunkte), beim HVV-Angebot für Radler (Fahrradmitahme, + 0,21 Notenpunkte) und bei der Werbung für den Radverkehr (+ 0,2 Notenpunkte). Der angebliche Winterdienst, der seit fünf Jahren auf einem ausgewählten Netz von 170 Kilometer Länge exisitieren soll, scheint bei den Radlern nicht angekommen zu sein, bzw. er scheint tatsächlich nicht zu existieren. Es gibt für den nicht vorhandenen Winterdienst gleichblebend die Note 5,2.

Die Abweichungen zum vorherigen Test im Jahr 2012 zeigen also, dass unter dem SPD-Senat vermehrte Aktivitäten für den Radverkehr unternommen wurden. Dazu zählen beispielsweise der LOOP, die Veloroute 8 nach Hamm, der begonnene Umbau für die Veloroute 1 nach St. Pauli, der Umbau für die Veloroute 4 am Harvestehuder Weg, der Umbau der Fuhle, Umbauten am Erdkampsweg und Ratsmühlendamm, die Stealth-Radwege an der Großen Elbstraße, zahlreiche Umbauten im Zuge der Busbeschleunigung oder die Luftstationen und die Zählsäule. Neben den baulichen Maßnahmen hat es auch Veränderungen bei den Radwegbenutzungspflichten gegeben. Alte Landstraße, Hoheluftchaussee, Hummelsbütteler Landstraße, Hummelsbüttler Haupstraße, weite Abschnitte der Fuhle, Lenhartzstraße, Lokstedter Weg, Nedderfeld und weitere Hauptstraße sind nun ohne Radwegezwang. Viele dieser sog. "Radwege" konnten überhaupt nicht benutzt werden. Diese Veränderungen sind allerdings nicht den Behörden, sondern dem Engagement einiger Radler zu verdanken.

Die gefühlte Verbesserung bei den Einbahnstraßen trifft sicherlich zu. In den letzten beiden Jahren wurden weitere Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet.

Die leichte Verbesserung bei der Fahrradmitnahme im HVV lässt sich kaum erklären. Der HVV hat sein Angebot seit 2012 nicht verändert. Vielleicht haben einige Radler die Fahrradmitnahmemöglichkeiten neu entdeckt.

Trotz Gebietserweiterungen für das StadtRAD wird das Leihradsystem unverändert gleich bewertet.  Das Leihradsystem genießt die beste Einzelnote in Hamburg, eine 2,0.

Die positiven Aktivitäten im Radwegebau hatten leider keine Auswirkungen auf das Gesamtergebnis. Zu viele unerledigte Aspekte, wie Kampfparker, Fakeradwege, Baustellen oder Winterdienst lasten auf dem Gesamtergebnis.

Insgesamt nahmen 2014 2139 Personen an der Umfrage teil, 2012 waren es noch 3549. War das Interesse am Fahrradklima-Test gesunken oder gab es weniger Werbung für das Projekt? Falls erstes zutrifft, verweigerten viele Radler die Teilnahme aus Resignation über den Stillstand in vielen Bereichen?


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23. Februar 2015

Wie halte ich es mit den Kampfrasern?

How do I do it with speeders?

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Wie mache ich es mit den Kampfrasern auf Hamburgs Straßen? Soll es mehr Kontrollen geben oder sind Kontrollen nur reine Abzocke bei den Autofahrern. Zumindest die CDU in der Opposition vertrat in Hamburg jahrelang die Auffassung, dass es dem SPD-Senat bei der Raserjagd nur ums Geld ging. 2000 kritisierte Klaus-Peter Hesse den Blitzer-Rekord auf Hamburgs Straßen.

An vielen Standorten wird nicht wegen Unfallhäufigkeit geblitzt, sondern aus fiskalischen Gründen. (Klaus-Peter Hesse, 2000 in der Mopo)

2005 gab es eine Wende. Unter dem CDU-Senat fordert Hesse mehr "Radarfallen".

Die Auswertung der aktuellen Daten belegt eindeutig, daß die Kontrollen - anders als unter der rot-grünen Vorgängerregierung - nicht aus fiskalischen Gründen stattfinden, sondern zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. (Klaus-Peter Hesse, 2005 im Abendblatt)

Im Jahr 2015 scheint der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion offenbar geläutert. Er fordert noch mehr "Abzockeinrichtungen" auf Hamburgs Staßen.

Rotlicht-Verstöße werden offenbar immer noch als Kavaliersdelikt betrachtet. Wir müssen darüber nachdenken, ob nicht andere oder noch mehr Stationen für feste Blitzer geeignet sind. Auch mobil muss an Unfallschwerpunkten mehr kontrolliert werden. (Klaus-Peter Hesse, 2015 in der BILD)

Eigentlich zwingt niemand Autofahrer zum Rasen oder zu Rotlichtverstößen. Es dürfte für niemanden ein Problem sein, wenn Hamburg flächendeckend mit Kontrolleinrichtungen versorgt würde. Vielleicht ändert sich die Einstellung der Politiker aller Parteien in der Bürgerschaft und den Bezirken auch noch beim Thema Kampfparken. Eine Parkraumüberwachung in Hamburg gibt es nur in ganz wenigen Bereichen und dient vornehmlich der Einnahmensicherhung bei gebührenpflichtigen Stellplätzen, nicht aber der Verkehrssicherheit.


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Kurios: Norderstedts glückliche Radfahrer

Strange: Norderstedt gets two different prizes this year
Aktualisiert am 28.02.2015
© Dirk Michael Deckbar
Auszeichnung des Gewinners beim Fahrradklima-Test durch BMVI-Staatssekretär Rainer Bomba und ADFC-Vorsitzendem Ulrich Syberg: Norderstedts umstrittener Baudezernent Bosse [© Dirk Michael Deckbar]

Viele erinnern sich sicherlich noch an die Auszeichnung der Stadt Norderstedt mit dem "Pannenflicken 2014" für die fahrradunfreundlichste Verkehrsanlage Deutschlands vor einem Monat. In der vergangenen Woche wurde Norderstedt vom ADFC und dem Bundesverkehrsministerium als Gewinnerstadt beim Fahrradklima-Test ausgezeichnet. Die Stadt errang den dritten Platz in der Kategorie "Aufholer" in der Stadtgrößenklasse 50.000 bis 100.000 Einwohner. Wie passt das beides zusammen? Ein Erklärungsversuch von hamburgize.com

Die 75.000 Einwohner-Stadt Norderstedt grenzt im Norden an die Millionen-Stadt Hamburg und gehört zur Metropolregion Hamburg. Mit der längsten U-Bahnlinie Deutschlands ist die fünftgrößte Stadt Schleswig-Holsteins (nach Einwohnergröße) mit Hamburg verbunden. Norderstedt ist keine gewachsene Stadt. 1970 wurde Norderstedt aus den vier Hamburger Vorstadtgemeinden Garstedt, Glashütte, Friedrichsgabe und Harksheide gebildet. Im geografischen Mittelpunkt des neuen Stadtgebildes entstadt der neue Stadtteil Norderstedt-Mitte mit dem Endpunkt der U-Bahn nach Hamburg und dem neuen Rathaus. Im südlichen Stadtteil Garstedt befindet sich ein größeres Einkaufscenter auf der grünen Wiese. Ansonsten hat Norderstedt immer noch in den vier früheren Gemeinden eigene Versorgungszentren. Entlang der langen Straßenzüge in Nord-Süd- und West-Ost-Ausrichtung haben sich Bandstrukturen entwickelt. Entlang dieser Verkehrsachsen ist Radfahren wenig attraktiv und überwiegend nicht regelkonform geregelt.

Konflikte mit Fußgängern und regelwidrige Rad- und Gehwegbenutzungspflichten

Radler aus Hamburg, die die Stadtgrenze queren, treffen auf gleiche und auch andersartig gelagerte Probleme als in der um eine ganze Note schlechter bewerteten Hansestadt (Note 4,3 beim Fahrradklima-Test). In Norderstedt gibt es sehr häufig einseitige Zweirichtungsradwege oder die Benutzungspflicht für Gehwege im Zweirichtungsverkehr. Oftmals ist auch die Trennung zwischen Rad- und Gehweg nicht eindeutig, obwohl es eine Benutzungspflicht für getrennte Rad- und Gehwege (VZ241) gibt. Darüber hinaus sind die Zweirichtungsradwege oftmals nicht einmal für den Gegenverkehr geeignet, weil sie zu schmal sind. Dass die Norderstedter Radler ihre Stadt dennoch beim Kriterium "Konflikte mit Fußgängern" (Note 3,3) positiver bewerten als Hamburg (Note 4,4), muss daher auffallen. Liegt es am Dichtestress in Hamburg, also größerer Anzahl an Fußgängern auf Geh- und Radwegen im Vergleich zum eher beschaulich empfundenen Norderstedt?
Zudem liegt Norderstedt beim Abbau regelwidriger Rad- und Gehwegbenutzungspflichten noch sehr, sehr weit zurück. Radwege von 1,3 Metern Breite dürfen niemals benutzungspflichtig für den Zweirichtungsverkehr sein. Daher wurde vor fünfzehn Monaten dem Rathaus ein Antrag zum Abbau aller regelwidrigen linksseitigen Radwege und Benutzungspflichten von Zweirichtungsrad- und Gehwegen gestellt - bislang noch unbearbeitet.


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Friedrich-Ebert-Strtaße: Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsverkehr. Konflikte mit Fußgängern sind vorprogrammiert, die Benutzungspflicht regelwidrig

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Ulzburger Straße: Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsverkehr. Konflikte mit Fußgänger dürften auch hier alltäglich sein. Der Gehwegbenutzungszwang ist zudem regelwidrig

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Freidrich-Ebert-Straße: Gehwegbenutzungszwang im Zweirichtungsverkehr, Konflikte mit Fußgängern gehören zum gewollten Alltagsprogramm. Der Gehweg ist nur 1,3 Meter schmal. Der Gehwegbenutzungszwang ist widerrechtlich angeordnet

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Achternfelde / Friedrich-Ebert-Straße: Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsverkehr an einer Bushaltestelle ohne Wartebereich für Fahrgäste. Konflikte mit Fußgänger vorprogrammiert. Übrigens ist der Benutzungszwang widerrechtlich angeordnet

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Achternfelde / Friedrich-Ebert-Straße: Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsverkehr - Verstoß gegen die StVO bzw. VwV-StVO. Tolle Konflikte mit Fußgängern

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Ulzburger Straße: Auch hier dürften Konflikte mit Fußgängern zum Alltag gehören (VZ240 im Zweirichtungsbetrieb)

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Ulzburger Straße, VZ241 im Zweirichtungsbetrieb: Ist hier eine Trennung zwischen Rad- und Gehweg erkennbar? Konflikte mit Fußgängern sind so vorprogrammiert


 

Unterbrochene Führungen an Kreuzungen - Umwege für Radler

Ein Problem gibt es sowohl in Hamburg wie auch in Norderstedt. An Kreuzungen werden die Bedürfnsisse von Radlern vernachlässigt. So gibt es in Norderstedt an zahlreichen Kreuzungen nicht an allen Knotenarmen Querungsmöglichkeiten für Radler, um den Autoverkehr zu bevorzugen. Die restlich  vorhandenen Furten sind aber meistens nicht für den Zweirichtungsverkehr zugelassen. Doch fast ausnahmslos alle Radler betätigen sich an solchen Norderstedter Kreuzungen als Geisterradler - und finden dies offenbar sogar gut. In zahlreichen Leserbriefe, selbst von angeblichen Radlern, wurde der ADFC Norderstedt bezüglich seiner Haltung zur Fehlplanung der Kreuzung am Ochsenzoll kritisiert. Radler halten es demnach für legitim an der Kreuzung Ochsenzoll abzusteigen und zu schieben. Ein anderer Leser propagiert das illegale Geisterrradeln um den Kreisverkehr am Ochsenzoll und kritisiert die Kritik des ADFC am Kreisverkehr als übertrieben. So viel Schelte wie der ADFC Norderstedt in den Medien abbekommen hatte wegen der Fehlplanung am Ochsenzoll, gab es für das Pendant in Hamburg nicht in letzter Zeit nicht.


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"Knoten Ochsenzoll" / Segeberger Straße: Zur Umrundung des Kreisverkehrs, der unmittelbar im Rücken des Betrachters liegt, sollen Radler dank der Stadt Norderstedt einen erheblichen Umweg fahren. Für diesen Umweg benötigen Radler einen Reisezeitstrafzuschlag von 130 Sekunden im Vergleich zur Benutzung der Fahrbahn im Kreisverkehr
Detour for cyclists to cross the roundabout behind the spectator needs 130 additional seconds compared to cycling on the roundabout

Eine Bewertung der Radverkehrsführung an Kreuzungen sieht der ADFC-Test nicht vor, indirekt versteckt sich dieses Problem ggf. in der Benotung für Ampelschaltungen (Note 4,1; Hamburg 5,1), Sicherheit / Gefährdung (Note 3,5; Hamburg 4,6), aber vor allem direkte Verkehrsführung oder Umwege (Note 2,4; Hamburg 3,3). Dagegen beklagt die Polizei in Norderstedt das illegale Geisterradeln als eine der Hauptursachen für von Radlern verursachte Verkehrsunfälle. Offenbar sehen Norderstedts Radler kein Problem beim illegalen Geisterradeln, auch wenn dies durch eindeutig benachteiligte regelwidrige Verkehrsführungen wie fehlende Furten verursacht wird. Kennen sich Norderstedts Radler weniger gut mit den Verkehrsregeln aus als in Hamburg oder ist ihnen das Problem vollkommen egal?


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Kreuzung Schmuggelstieg / Segeberger Chaussee / Ulzburger Straße / Ohechaussee: Der Radler kann hier leider nur rechts abbiegen. Es fehlt eine Querungsmöglichkeit, um geradeaus die Straße zu queren, um dann in die Ulzburger Straße zu gelangen. Die so autogerecht ausgestattete Kreuzung führt zu massenhaftem Geisterradeln links um die Kreuzung herum. Die Norderstedter Polizei warnt jedoch vor diesen Regelverstößen. Radler, die hier geradeaus in die Ulzburger Straße wollen (siehe nächstes Bild, müssen nach rechts abbiegen, über den "Knoten Ochsenzoll" radeln, dann weit hinter dem Knoten an der Bettelampel die Segeberger Chaussee queren (siehe vorheriges Bild), und dann den ganzen Weg auf der anderen Straßenseite zurückradeln.

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Vier Kampfradler auf der Kreuzung Ohechaussee / Ulzburger Straße / Segeberger Chaussee / Schmuggelstieg: Der autogerecht ausgebaute Knoten bietet nicht in alle Richtungen Wegebeziehungen für Radler. Die gelbe Markierung zeigt den Weg, den Radler links herum vom Schmuggelstieg kommend im Geisterradlermodus radeln. Eine fahrradfeundliche Stadt würde so etwas nicht anbieten. Die Norderstedter finden es scheinbar trotzdem toll

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Links eine Kampfradlerin auf dem Gehweg an der Kreuzung Ulzburger / Steindamm (linke Straßenseite ein reiner Gehweg, rechte Straßenseite Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsbetrieb): Radler aus Richtung Norderstedt-Mitte, die im Verlauf der Ulzburger Straße der Gehwegbenutzungspflicht folgen und am Steindamm rechts abbiegen wollen, wurden von den Verkehrsplanern nicht berücksichtigt. Auf der anderen Straßenseite gibt es keine Radverkehrsanlagen, der Steindamm hat keine Radverkehrsanlagen. also müssen Radler an der Ampel betteln, beim Warten auf Grün blockieren sie solange den Fuß- und gegenläufigen Radverkehr, dann über die Fahrbahn schieben, auf der anderen Straßenseite bis zur Straßenecke schieben und sich dann in den Mischverkehr einfädeln. Alternativ dürfen Radfahrer - die schließlich keine Fußgänger sind - an der letzten sicheren Gelegenheit vor der Kreuzung den linken Gehweg verlassen und bis zur Kreuzung mit dem Steindamm die Fahrbahn der Ulzburger Straße benutzen. Falls geeignete Querungsmöglichkeiten vor der Kreuzung Steindamm fehlen, kann dies die letzte signalisierte Querungsstelle vorher sein. Selbstverstädlich ist das Abbiegen von norden kommend nach links in den Steindamm über die Fußgängerfurt auch nicht möglich. Auch in dem Fall müssen Radler gemäß StVO rauf auf die Fahrbahn - trotz VZ240 - und direkt links abbiegen
Old school and progressive cycling in Norderstedt at Ulzburger Straße / Steindamm

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Waldstraße: Puff! Der Radweg löst sich in Luft auf. Ab hier müssen Radler auf die Fahrbahn wecheln. Norderstedter betätigen sich hier aber gern als Kampfradler auf dem anschließenden Gehweg

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Ulzburger Straße: Peng! Hier endet der benutzungspflichtige Radweg, damit Autos besser parken können



Breite der Radwege

Bei der Breite der Radwege vergeben die Norderstedter die Note 4,1, die Hamburger die Note 5,3. Bewertet man z.B. die neuen Radwege am Knoten Ochsenzoll, die nicht die Mindestbreiten erreichen, oder die zahlreichen einseitigen Zweirichtungsradwege, die zu schmal für den Begegnungsfall sind, dann muss man den Norderstedter Radlern eine Schönung der Probleme oder eine geringere Problemwahrnehmung unterstellen.


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Friedirchsgaber Weg: Neben den Laternenmasten auf dem Radweg ist Begegnungsverkehr unmöglich. Die Benutzungspflicht ist schon allein aus diesem Grund unzulässig

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Friedrichsgaber Weg: Der einseitige Zweirichtungsradweg misst 1,4 Meter in der Breite. Der Gegenverkehr von Radlern ist unmöglich, die Benutzunspflicht ist unzulässig

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Friedrichsgaber Weg: Rechts Grünzeug, links Mülltonne und Laternenmasten. Dazwischen sollen Radler im Zweirichtungsverkehr fahren

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Ochsezoller Straße: Unzulässige Benutzungspflicht für Zweirichtungsradweg

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Ochsenzoller Straßer: Benutzungspflichter einseitiger Zweirichtungsradweg bei einer Breite von 1,3 Metern. Der Begegnungsfall zweier Radler ist auf dem Radweg nicht möglich, die Benutzungspflicht ist unzulässig

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Ohechaussee: Platz zum Nebeneinanderradeln gibt es hier nicht

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Freidrich-Ebert-Straße: Gehwegbenutzungspflicht mit Zweirichtungsbetrieb - diese Anordnung verstößt allerdings gegen die StVO. Wie sollen sich Radler gegenseitig oder Radler und Fußgänger hier begegnen oder überholen??

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Ohechaussee: Breiter Radweg geht anders (VZ241)


 

Hindernisse auf Radwegen

Typisch für Norderstedt sind Ampelmasten, Lichtmasten und Schilderpfosten auf Radwegen. Aber auch Bäume engen die Radwege oftmals stark ein. Eine weitere Norderstedter Spezialität sind Drängelgitter, wovon einige immerhin schon abgebaut wurden. Für Hindernisse auf Radwegen gibt es in Hamburg die Note 5,1, in Norderstedt dagegen 3,8.


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Ulzburger Straße: In Norderstedt verlaufen sich Laternemasten gern auf Radwegen

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Ulzbruger Straße / Rathausallee: Geschicklichkeitsparcour für Radler

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Ulzburger Straße / Rathausallee: Zahlreiche Masten schränken den Radverkehr an der Kreuzung ein

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Ulzburger Straße / Waldstraße: Schlatschrank auf dem Zweirichtungsradweg

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Segeberger  Chaussee: Laternenmast auf dem Radweg

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Nur für geübte Radler: Links und rechts mit Stangen abgesteckter Slalomparcour

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Alter Kirchenweg / Exerzierplatz: Ampelmast auf dem Radweg, sowie Radweg quer über die Aufstellfläche der Fußgänger

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Drängelgitter am Tarpenbekwanderweg (VZ240) bei der Schleswig-Holstein-Straße

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Achterbahnradeln auf der Falkenbergstraße

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Friedrich-Ebert-Straße: Gehwegbenutzungspflicht für den Zweirichtungsbetrieb - grober Verstoß gegen die Regelwerke

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Ulzburger Straße: Gehwegbenutzungspflicht im Zweirichtungsverkehr um ein Buswartehäuschen herum: Konflikte mit Fußgänger vorprogrammiert


Baustellen

Auch an Norderstedts Baustellen sollen Radfahrer absteigen und schieben. Da gibt es keinen Unterschied zu Hamburg. Doch auch hier wird dieses Problem anders wahrgenommen. In Norderstedt gibt es die Note 4,1, in Hamburg dagegen 5,1. Liegt es an der größeren Anzahl an Baustellen in Hamburg durch Busbeschleunigung und Straßensanierungsprogramm?


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Baustelle "Knoten Ochsenzoll": Kein Platz für Radler vorgesehen

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Baustelle Langenhorner Chaussee: Radler müssen vom benutzungspflichtigem Radweg auf die Fahrbahn ausweichen

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Baustelle Ulzburger Straße: Radler müssen auf die Fahrbahn ausweichen


Norderstedt punktet mit Winterdienst für Radler

Alles in allem handelt es sich beim Fahrradklima-Test um eine Frage der Wahrnehmung, der subketiven Empfindungen. Gleiches kennen wir von der gefühlten Unsicherheit auf der Fahrbahn und der gefühlten Sicherheit auf gefährlichen Radwegen. Nehmen Hamburgs Radler ein Problem deutlicher wahr und benoten dies zutreffend negativ, müssen Norderstedts Radler dies nicht gleich machen. Den "Aufholer"-Preis errang die Norderstedt für einige besser bewertete Kriterien. Norderstedt verbesserte sich in der Gesamtnote von 3,7 auf 3,3 im Vergleich zum vorherigen Test im Jahr 2012. Die Stimmung muss also besser geworden sein. Im Detail betrifft dies u.a. den Winterdienst (+ 1,45 Notenpumkte), die Reinigung der Radwege (+ 0,92 Notenpunkte), Radverkehr an Baustellen (+ 0,63 Notenpunkte), die Ampelschaltungen für Radfahrer (+ 0,42 Notenpunkte), die aktuelle Radverkehrsförderung (+ 0,36 Notenpunkte), die gefühlte Sicherheit auf Radverkehrsanlagen für Jung und Alt (+ 0,29 Notenpunkte), die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer (+ 0,27 Notenpunkte), weniger Hindernisse auf Radwegen (+ 0,25 Notenpunkte) sowie das Leihradsystem (+ 0,24 Notenpunkte). Dagegen soll die Werbung für den Radverkehr nachgelassen haben (- 0,41 Notenpunkte).


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Fahrradstadtplan Norderstedt: Dies soll eine Radverkehrsverbindung sein


Seit Dezember 2012 gibt es in Norderstedt einen mehr oder weniger gut ausgeführten Winterdienst auf 150 Kilometern Radwegen - ohne zusätzliche Haushaltsmittel für die Betriebe der Stadt. Die positivere Bewertung stimmt also mit der Realität überein. Der relativ neue Winterdienst drückt sich vermutlich ebenso in der Zunahme der Zufriedenheit bei der Reinigung der Radwege aus. Baustellen sollen weniger verkehrsbehindernd für Radfahrer sein. Im Bewertungszeitraum gab es allerdings katastrophale Verkehrsführungen für Radler während der Bauarbeiten rund um den "Knoten Ochsenzoll". Radler sollten währenddessen lange Strecken schieben. Inwiefern sich Ampelschaltungen für Radler verbessert haben lässt sich kaum beurteilen. Eine Grüne Welle für Radler gibt es nicht, neue radfahrerfeundliche Schaltungen wurden nicht installiert. Zumindest aber sind Radler am umgebauten "Knoten Ochsenzoll" nicht mehr von Ampeln betroffen. Im Bewertungszeitraum sollen die Aktivitäten der Stadt für den Radverkehr zugenommen haben. Real wurde am Unfallschwerpunkt Nummer Eins Ulzburger Straße / Waldstraße eine Ampel installiert. Zudem bekamen die Norderstedter eine Verlängerung der Grünverbindung entlang der Bahn in Richtung Friedrichsgabe (AKN-Strcke) und eine weitere Grünverbindung nach Glashütte. Auch der Umbau des "Knoten Ochsenzoll" fällt in den Bewertungszeitrahmen. Inwiefern Radler vermehrt als Verkehrsteilnehmer akzeptiert werden ist schwer zu erklären. Zumindest wurde z.B. in der Tannenhofstraße die gegenläufige Gehwegbenutzungspflicht aufgehoben und durch ein Radfahrrecht bei Schritttempo ersetzt. Radler tauchen nun wohl in einigen wenigen Nebenstraßen vermehrt auf der Fahrbahn auf. Zu den Verbesserungen bezüglich der Hindernisse auf Radwegen ist der Abbau einiger Drängelgitter zu verbuchen. Das Leihradsystem wurde 2012 in Norderstedt mit anfangs sehr wenigen Stationen eingeführt - im gleichen Jahr, in dem der Klimatest abgefragt wurde. Seitdem wurde das System nachverdichtet. Die positivere Wahrnehmung trifft also zu. Ein Nachlassen der Werbung für den Radverkehr lässt sich nicht erklären. Die Stadt hat das Thema Radverkehr auf ihrer Homepage integriert und wirbt für sich als Fahrradstadt. U.a. wurde ein Fahrradstadtplan herausgegeben. Den größten Anteil an Erringung der "Aufholer"-Auszeichnung hat der 2012 eingeführte Winterdienst. Daher gebührt dem Leiter des Norderstedter Betriebsamtes der Verdienst um die Auszeichung.


ADFC-Fahrradklima-Test baut auf rein subjektive Wahrnehmungen

Norderstedts Radfahrer scheinen einfach nur die glücklicheren Menschen zu sein, verglichen mit Hamburgs Radlern. Das Ergebnis der Bewertung der Zustände in Norderstedt hat eher weniger mit der Realität vor Ort zu tun. Dies mag einer der Nachteile des Fahrradklima-Tests zu sein. Die Teilnehmer bewerten ihre Stadt nicht im Vergleich mit anderen Städten, sondern nur bezogen auf ihre eigene Stadt. Dass Bochum als extrem fahrradunfreundliche Stadt nur unbedeutend schlechter abschneidet als Hamburg scheint unverständlich. Dass Essen sogar besser abschneidet als Hamburg scheint ebenso wenig nachvollziehbar. Eine weitere Einflußgröße für die Bewertungen der Teilnehmer mag die Öffentlichkeitsarbeit der Radverkehrslobby vor Ort sein. Fährt die Radfahrerlobby einen gemäßigten Schmusekurs mit der Verwaltung und den Politikern oder vertritt sie kritischere Positionen? Ist den meisten Radlern vor Ort das Thema regelwidriger Radwegbenutzungspflichten bewusst? Unterstützt die Radfahrlobby z.B. Klagen gegen regelwidrige Radweganordnungen? Wie gut sind die Radler über den führenden Verband hinaus organisiert? Ein weiterer Nachteil des Klimatests sind die Fragestellungen. Manche Problemstellungen werden durch die Fragen leider nicht direkt abgedeckt. Unter welcher Frage sollten Radler die Stadt Norderstedt für den vermurksten Kreisverkehr am Ochsenzoll abstrafen? Für die Millionen, die für den Umbau der Kreuzung ausgegeben wurden, hätte Norderstedt schließlich alternativ eine fahrradfreundliche Kreuzung bauen können. Eines scheint aber für Norderstedt zu sprechen: 19% der Wege werden mit dem Rad bewältigt, ein beachtlicher Wert. In Bochum hat es einen Radfahreranteil von 6%, in Hamburg mögen es derzeit etwa 13% sein, in Essen dagegen nur 5%. Wäre Essen fahrradfreundlicher als Hamburg, müsste es dann nicht auch einen höheren Radverkehrsanteil geben?

Auch in Heiligenhaus (Niederbergisches Land) scheint es eine Disparität zwischen der ADFC-Auszeichnung und der Auffassung örtlicher Radverkehrsexperten zu geben. Alltagsradler sehen Heiligenhaus als fahrradunfreundliche Stadt, Sonntagsradler finden Heiligenhaus wegen des recht neuen "Panoramaradweges" besonders fahrradfreundlich. Der örtliche ADFC-Experte Lothar Nuthmann hat da konkrete Zweifel an der Auszeichnung.

Ich sehe Heiligenhaus nämlich als Autofahrerstadt und im höchsten Maße fahrradunfreundlich. Für mich ist diese Auszeichnung nicht gerechtfertigt.

Heiligenhaus erhielt den ersten Preis unter den "Aufholern" in der Städtekategorie bis zu 50.000 Einwohnern. Haben mehrheitlich Freizeitradler, die überwiegend nur auf der ehemaligen Bahntrasse radeln, oder Alltagsradler, die täglich auf dem Weg zur Arbeit oder zur Ausbildung durch die Innenstadt radeln, in Heiligenhaus abgestimmt? Welche Zielgruppe wurde von der Radfahrlobby zur Teilnahme am Fahrradklima-Test mobilisiert? Oder hat gar die Kommune selbst starke Werbung für den Test gemacht und eine andere Klientel erreicht als der ADFC?

Daten und Fakten zum ADFC-Fahrradklima-Test 2014

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und wurde im Herbst 2014 zum sechsten Mal durchgeführt. Der Fahrradklima-Test wird gefördert vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans.
Über 100.000 Menschen stimmten ab – eine Steigerung von 25 Prozent gegenüber dem letzten Test im Jahr 2012. Die Zunahme führt der ADFC auf das wachsende Interesse am Thema Fahrrad und Radverkehr zurück. 468 Städte kamen in die Wertung (im Vergleich: 332 in 2012). Für Norderstedt gaben 214 Teilnehmer ihre Stimme, für Heiligenhaus 65, für Hamburg 2139.



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