20. Juli 2016

Hamburg: CDU fordert die autogerechte Stadt

Hamburg: CDU calls for car city
Aktualisiert um 22:12 Uhr

Ausfallstraßen nur noch für Radfahrer? - © Stefan Warda


CDU-Fraktionschef André Trepoll sprach sich im NDR-Sommerinterview für Hamburg als autogerechte Stadt aus.

Wir erfahren ja viel Frust und auch Wut von den Menschen, dass sie sagen: Das kann nicht sein,  dass so ´ne internationale Handelsmetropole wie Hamburg zur Fahrradstadt umgekrempelt wird. Keine Stadt über 600.000 Einwohner in Europa kann Warenwirtschaftsverkehr in dem Sinne auch bewältigen, ohne dass es auch ´ne gute Infrastruktur gibt. Und wir wissen, dass Hamburg eine der Staumetropolen ist und dass dort zu wenig getan wird und dass man jetzt Ein- und Ausfallstraßen, die noch vierspurig sind, dann für den Fahrradverkehr dicht macht. Dass man Straßen umbaut, wo man nachgewiesen hat, dass gerade mal 600 Fahrradfahrer am Tag unterwegs sind, aber 42.000 Autos. Das ist keine richtige politische Prioritätensetzung und das frustriert die Bürger zu Recht.

Unklar bleibt nach dem Interview, ob nun das Radfahren auf Ein- und Ausfallstraßen in Hamburg verboten wurde, oder aber ob vierspurige Hauptverkehrsstraßen in reine Fahrradstraßen ohne Freigabe für den MIV ungewandelt wurden. Weder das erste noch das letztere ist bislang bekannt geworden.

Das Beispiel zum Umbau der Straße mit 42.000 Autos und 600 Radfahrern am Tag belegt allerdings einmal wieder, dass die CDU keine Anreize zur Änderung der Verkehrsmittelwahl geben will, sondern dass der Autoverkehr absoluten Vorrang auf Hamburgs Straßennetz behalten soll und die jetzige Autoverkehrsmenge auf Hamburgs Straßen mindestens beibehalten werden soll. In die gleiche richtung ging das Konzept der Bettelampeln für Radfahrer, welche die CDU "intelligente Ampeln" nannte. Entlang von Hauptverkehrsstraßen (Ring 2 im Verlauf von Habichtstraße und Nordschleswiger Straße u.a.) wurden unter der früheren CDU-Regierung in den 00er Jahren Ampeln an Kreuzungen autoverkehrsmengenabhängig gesteuert. Radfahrer hatten im Verlauf der Hauptstraßen an Querstraßen grundsätzlich Rot, wenn sie nicht Bettelampeln betätigten und warteten, während der parallele Autoverkehr auf der Fahrbahn Grün hatte. Begründet wurde das Konzept mit dem Umweltschutz - zur Luftreinhaltung, damit "der Verkehr" nicht im Stau stünde und unnötig Schadstoffe produzierte. So wollte die CDU u.a. die Feinstaubwerte an der Luftmessstation Habichtstraße reduzieren. Es wäre unsinnig, wenn für wenige Radfahrer im Vergleich zu vielen Autos Ampeln im starren Takt Radfahrerbelange berücksichtigten. Eine Möglichkeit zur Verlagerung des MIV auf das Rad bieten solche für den Radverkehr unattrativen Verkehrsmodelle jedoch überhaupt nicht. Vielmehr wird der Radverkehrsanteil somit gedeckelt.

Mit der CDU die maximale Anzahl an Stehzeugen und Autofahrspuren in Hamburg

Das im Mai vorgestellte CDU-Radverkehrskonzept beinhaltet weitere Absurditäten, wie z.B. den Bestandsschutz für Pkw-Stellplätze. Dabei wäre zu befürchten, dass der Besandsschutz auch für alle illegal geparkten Stehzeuge gelten könnte. Denn bei Straßenumbauten forderte die CDU in den letzten Monaten immer wieder keinen Abbau illegaler "Stellplätze", also nicht vorhandenener Stellplätze. Gleichzeitig fordert die CDU in ihrem Konzept lastenfahrradgeeignete Hochbordradwege für alle Straßen mit einer Verkehrsbelastung von mehr als 15.000 Autos am Tag. Das würde das Aus für viele Straßenbäume bedeuten. Wenn Radfahrer bei der CDU auf Hauptverkehrsstraßen schon unerwünscht sind, wie sollen Radfahrer durch Hamburgs Nebenstraßen radeln, wenn dort alles mit Stehzeugen vollgestellt bleiben soll? Sollen sie zukünftig nur noch abseits von Straßen durch Parks fahren, wie es die CDU im Fall einer geplanten Radverkehrsverbindung entlang der Walddörferstraße forderte. Nach CDU-Wünschen sollte eine Veloroute durch den Wandsepark gebaut werden. Auch die Fahrradstraßen am Alsterufer und Harvestehuder Weg wurden von der CDU kritisiert und stattdessen der Ausbau der Radwege gefordert. Sollten die Zweirichtungsradwege im Alstervorland und entlang Alsterufer von vormals nur 1,5-2 Metern Breite auf erforderliche vier Meter Breite in den sensiblen Landschaftsbereichen ausgebaut werden oder auch dort der Radverkehr auf den Status Quo auf Miniradwegen limitiert werden?

Hamburger wünschen keine autogerechte Stadt

Mit der Forderung zum Umbau und Erhalt Hamburgs als autogerechte Stadt vertritt die CDU nur eine Minderheit der Hamburger. Eine repräsentative Umfrage des Abendblatts ergab 2014, dass 60% der Hamburger wünschten, den Ausbau des Radverkehrs voranzutreiben, auch wenn dies zulasten des Autoverkehrs ginge.



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4 Kommentare:

  1. Wieso wird Menschen mit solchen Argumenten eigentlich immernoch ein Mikrofon hingehalten? Eine viel wichtigere Gegenfrage hätte doch lauten müssen, wann die "Internationale Handelsmetropole" seine Anzahl an Verletzten und Toten im Strassenverkehr endlich auf Null gesenkt haben will.

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  2. Im derzeitigen Zustand werde ich auch als Rennradfahrer im Stadtverkehr weiter auf das Auto setzen. Schon der kurze Weg im Stadtverkehr von meine Wohnung raus auf "den Deich" reicht mir immer schon. Deshalb gibt es auch keine Radfahrer auf bestimmten Strecken. Im Hamburger Stadtverkehr ist es keine Frage ob, sonder nur wann ich im Krankenhaus lande.

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  3. @Matthias: liegt das vielleicht am Fahrstil der Rennradfahrer? Etwas Fahrpraxis zwischen August und Mai kann da auch nicht schaden, Fahrradfahren ist auch bei unter 20 °C und Nicht-Sonnenschein erlaubt.

    MfG
    ein unfallfreier Alltagsradler

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  4. Die Argumentation der CDU ist immer wieder spannend. Es darf nichts gebaut werden, weil da zu wenige Radfahrer fahren. Aha.

    Wie gut, dass früher hellere Köpfe am Steuer waren, sonst würden wir immer noch in der Höhle sitzen. Oder warum sollte man einen Bahnhof bauen, wo vorher noch keiner mit dem Zug gefahren ist?

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