15. Oktober 2016

Hamburg: Radfahrer sollen in Wandsbek möglichst nicht einkaufen

Hamburg: In Wandsbek shopping for cyclists is unwanted


Wandsbeker Marktstraße / Brauhausstraße, "W1" - © Stefan Warda


Ende letzten Monats eröffnete der neue Konsumtempel "W1" an der Ecke Wandsbeker Marktstraße / Brauhausstraße. Das sechsgeschossoge Geschäftshaus bietet auf drei Geschossen 12.000 m² Ladenfläche, auf drei weiteren Geschossen werden 310 Autostellplätze geboten. Mieter in dem Gebäude sind ein großer Lebensmittelmarkt auf 3.500 m², ein Sportfachmarkt auf 4.000 m², ein Drogeriemarkt und weitere Handels- und Dienstleistungsabieter. Die Außenanlagen entlang der Wandsbeker Marktstraße und der Brauhausstraße sind derzeit noch nicht fertiggestellt. Erkennbar ist aber, dass das Geschäftshaus keinerlei Abstellmöglickeiten für Radfahrer anbietet.


Brauhausstieg, W1-Parkhaus - © Stefan Warda

Brauhausstieg, W1-Parkhaus - © Stefan Warda

Eine Anfrage beim Geschäftshausbetreiber HBB bezüglich der Kunden, die mit dem Fahrrad kommen, hatte ergeben, dass für den Bau von Fahrradstellplätzen "der Platz fehlte".  Es sind "keine Fahrradabstellplätze vorgesehen".
Eine veranlasste Prüfung bzgl. dieser Thematik hat ergeben, dass die Gehwege bzw. der Bereich im Anlieferhof nicht genügend Platz bieten und somit unter anderem die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet wäre. In Abstimmung mit dem Verkehrsamt wurde sich deshalb dafür entschieden keine Fahrradabstellplätze zu errichten.
Laut Hamburgischer Bauordnung sollte es jedoch auch Fahrradstellplätze geben. §48 (1) Satz 1 HBauO legt fest, für bauliche Anlagen neben Stellplätze für Kraftfahrzeuge auch solche für Fahrräder einzurichten sind.
Werden bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, errichtet, sind Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie Fahrradplätze auf dem Grundstück oder, durch Baulast gesichert, auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe in geeigneter Beschaffenheit herzustellen oder nachzuweisen (notwendige Stellplätze und notwendige Fahrradplätze).
Laut §49 (1) Satz 1 HbauO können Bauherren und Baudamen sich von der Verpflichtung, Stellplätze einzurichten, freikaufen.  
Die Verpflichtung nach § 48 wird durch Zahlung eines Ausgleichsbetrages an die Freie und Hansestadt Hamburg erfüllt, wenn notwendige Stellplätze oder notwendige Fahrradplätze nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten hergestellt oder nachgewiesen werden können.
Wenn doch aber Platz für 310 Autostellplätze vorhanden ist, wieso können nicht einmal 20, 30 oder 50 Fahrradstellplätze untergebracht werden? Sollen Wandsbeker möglichst nicht mit dem Rad zum Einkauf fahren? Einen namhaften Outdoorspezialisten mit guten Abstellmöglichkeiten für Radfahrer gibt es in Barmbek zwischen dem Bahnhof und dem Museum für Arbeit - gute Beratung inklusive. Mit dem Fahrrad werden für die 2,5 Kilometer Entfernung nur etwa zehn Minuten benötigt.


Wandsbeker Marktstraße 1: So werden W1-Kunden ihre Räder abstellen müssen - © Stefan Warda

Brauhausstraße / Wandsbeker Marktstraße: Vermutlich werden hier zukünftig auch Kunden-Fahrräder stehen und den Fußgängerverkehr behindern - © Stefan Warda

Brauhausstraße / Wandsbeker Marktstraße: Vermutlich werden hier zukünftig auch Kunden-Fahrräder stehen und den Fußgängerverkehr behindern - © Stefan Warda

Studien belegen, dass Radfahrer mindestens ebenso zahlungskräftig sind, wie Autofahrer. Radfahrer sind also keine schlechteren Kunden, sie haben dagegen ein anderes Einkaufsverhalten. Viele Radfahrer kaufen kleinere Mengen ein, machen dafür mehr Einkäufe, während bei vielen Autofahrern der große Wochenendeinkauf sehr beliebt ist. Dass Radfahrer oftmals immer noch unterschätzt werden als Kunden, ist traurig.


Kopenhagen, Fahrradparkhaus am Einkaufscenter - © Stefan Warda

Hamburg hat allerdings auch positive Beispiele zu Abstellmöglichkeiten für radfahrende Kunden. Am Neuen Kamp auf St. Pauli stehen 80 stabile Bügel für 160 Fahrräder bereit. Zwar ist dort deutlich mehr Platz vorhanden als vor dem "W1", allerdings gibt es auch andere Einkauscenter mit viel Fläche, wo die Abstellmöglichkeiten ärmlich ausgefallen sind: Der Wille ist also mitentscheidend.


Neuer Kamp, Rindermarkthalle: Radfahrende Kunden sind vollumfänglich erwünscht - © Stefan Warda

Dorotheenstraße / Krohnskamp, Einkaufscenter: Radfahrende Kunden sind eher unerwünscht - © Stefan Warda



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5 Kommentare:

  1. …Befreiungen sind praktisch nicht möglich, aber Ablösungen (durch Zahlung entsprechender Beträge) durchaus. Normalerweise verweigert die Genehmigungsbehörde ein solches Ansinnen aber unter Hinweis auf grundlegende Bedarfe. Es wäre z.B. sicher nicht möglich gewesen, die PKW Stellplätze in Gänze abzulösen.
    Im Fall von Decathlon bin ich über die Vorgehensweise aber doch ziemlich verwundet. Man kann sich eigentlich nur vorstellen, dass die Firma erst sehr spät als Mieter ins Boot gekommen ist - oder etwa nicht?
    Ich für meinen Teil werde mir den eigentlich demnächst "aus Neugierde und ein paar konkreten Kaufabsichten" vorgesehenen Besuch doch erst mal verkneifen. Eigentlich wollte mich ich mal nach ein paar Newton Laufschuhen, einer neuen Schwimmbrille und diversen Speichenreflektoren sowie einer neuen Schlussleuchte für's Babboe umschauen, ausserdem wollte ich wissen, ob Decathlon nicht ein paar originelle "Le Coc Sportif" Artikel führt. Aber so halt nicht - schönen Gruß auch an die Marktleitung!

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  2. Vielleicht sollte man unorthodox reagieren und das Fahrrad einfach in den Konsumtempel mitnehmen und durch die Läden schieben. Das hatte ich einmal vor Jahren in einem Baumarkt gesehen, bei dem ich mehrfach auf die fehlenden bzw. unbenutzbaren Fahrradständer hingewiesen hatte. Ein Kunde schob sein Rad durch die relativ engen Gänge im Laden und sagte mir, dass er erstaunlicherweise nicht vom Personal angesprochen wurde. ... mit Hänger würde ich das natürlich nicht machen.
    Paul

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  3. Bei uns wurde auch ein neues Zentrum gebaut. Auch hier wurden sowohl vom Zentrumsentwickler als auch von der Stadt bei der Neugestaltung der Umgebung die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder vergessen(?). Es wurde ein Parkhaus mit drei Ebenen gebaut, an der Straße gibt es Abstellmöglichkeiten für PKW, für Radfahrer bleibt leider nur das Geländer am Zugang zum Parkhaus.
    Schade für die vertane Chance.

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  4. Diese Einzelhändler überraschen mich immer wieder. Warum hält sich der Irrglaube, dass Radfahrer schlechte Kunden wären? Wir haben in unserem DINK-Haushalt kein Auto und müssen damit nicht besonders aufs Geld achten, sondern geben es auch mal gerne aus. Allerdings muss ich mich als Kunde erwünscht fühlen, was in einem "W1" definitiv nicht der Fall ist, da dort Radfahrer als Kunden ausgeschlossen werden.

    Im übrigen werden die städtischen Einzelhändler den Wettbewerb um reine Autokunden ohnehin immer gegen die Konkurrenz vom Land verlieren. Flächen vor der Stadt sind einfach billiger, Anbindung und Parksituation sind meist besser.

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  5. Man hat nichts wieder gehört. Hat sich die Situation dort verbessert? Was ist geplant? Wer bezahlt die Verbesserung, auf privaten oder öffentlichem Boden?
    Fände ich interessant (ggf. ein Update mit neuem Artikel?)

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